Rückblick 2024
25. und 26. Januar 2024 | Zürich, Schweiz
GEWINNER
Ein Gratisticket für den Swiss Hydrogen Summit am 20. und 21. Februar 2025 hat gewonnen:
Gabriele Gianolli
Aziende Industriali Mendrisio
Herzlichen Glückwunsch!
Das unabhängige Schweizer Forum für Wasserstoff und Derivate.
Energiewende und Klimaschutz sind aus dem gesellschaftlichen Diskurs nicht mehr wegzudenken. Über das Ziel der Klimaneutralität herrscht Einigkeit, der Weg dorthin wird kontrovers diskutiert. Gerade auch die Rolle von grünem Wasserstoff als flexiblem Energieträger und Treibstoff steht heute im Brennpunkt der Debatte. Denn beim Zusammenspiel unterschiedlicher Technologien zur künftigen Sicherung einer nachhaltigen und stabilen Energieversorgung tun sich beim Wasserstoff als CO2-freiem Energieträger vielfältige Möglichkeiten auf. Nicht zuletzt aus diesen Beweggründen hat die Lighthouse Institute AG das erste unabhängige Wasserstoff-Symposium für die Schweiz ins Leben gerufen – den Swiss Hydrogen Summit.
Als Plattform für EntscheiderInnen aus Versorgungsunternehmen, Industrie, Wissenschaft und Politik gab die Event-Premiere am 25. und 26. Januar 2024 vertiefte Einblicke in die aktuellen Wasserstoff-Trends und bot einen umfassenden Überblick über die damit verbundenen strategischen und technischen Problemstellungen. Als roter Faden zogen sich frische Ideen und innovative Lösungsansätze für die anstehenden Aufgaben durch die thematisch dichte Veranstaltung. Die Themenschwerpunkte reichten dabei von Energiepolitik, Regulierung und Finanzen über Projekte, Produzenten und Praxis bis zu den momentanen Treibern der Entwicklung, dem Ramp-up Wasserstoffmarkt und dem nationalen Ausblick «Quo vadis Wasserstoff Schweiz?».
Voraussehbar gross war das Interesse: Über 100 Teilnehmende fanden sich im Ballsaal des traditionsreichen Zürcher The Dolder Grand ein. Die dort vorgefundene gediegene und konzentrationsfördernde Atmosphäre machte es dem Publikum leicht, den anspruchsvollen Themen der 26 ReferentInnen und Podiumsdiskutierenden zu folgen.
Der Summit startete mit Christian Pho Duc, der als Chief Technology Officer von Smartenergy die Wasserstoffaktivitäten dieses international tätigen Investmentunternehmens leitet. Das Initialreferat bot einen Überblick über die global bedeutendsten H2-Projekte, die sich mehrheitlich noch in der Bauphase befinden. Vielerorts herrscht ein strategischer und politikgestützter Ansatz vor, um Pilotprojekte in anwendungsfokussierte Konzepte und die Prüfungsphase ihrer Marktfähigkeit zu transferieren. Ein Spot auf Europas grösste H2-Projekte und ein Exkurs zu Spezialanwendungsgebieten, wo eine Elektrifizierung nicht möglich ist, rundeten Christian Pho Ducs Vortrag ab.
Im Anschluss präsentierte Markus Bareit, Projektleiter Wasserstoff beim Bundesamt für Energie (BFE), nach einem kurzen Vergleich mit den Nachbarländern punkto H2- und Gasverbrauch eine Auslegeordnung der Wasserstoff-Einsatzbereiche im Inland. Danach ging Markus Bareit den Fragen nach Herkunft, Transport und den Rahmenbedingungen für den Markthochlauf nach. Der kurz umrissene Bericht des Bundesrates «Wasserstoff: Auslegeordnung und Handlungsoptionen für die Schweiz» von Ende 2020 soll die Grundlage für eine nationale Strategie bilden, die noch 2024 vorliegen dürfte. Markus Bareit verwies auf H2-Speicheroptionen im In- und Ausland und zeigte die Relevanz einer Schweizer Anschlussleitung an das europäische Wasserstoff-Hauptnetz ab 2025 auf, die bis 2040 gebaut werden könnte.
Heike Worm vom Forschungs- und Strategieboard Polynomics umriss in ihrem Referat die Dringlichkeit von Rahmenbedingungen für den Energieträger Wasserstoff in der Schweiz. Angesichts der Aktivitäten der Nachbarländer machte sie klar, dass Europa beim Aufbau der H2-Versorgung nicht auf die Schweiz warte. Auf den Erzeugungsaufwand für grünen Wasserstoff schlagen die derzeit hohen Preise für Strom direkt durch, welcher mehr als die Hälfte der Produktionskosten verschlingt.
Luka Cuderman, bei Axpo zuständig für Market Intelligence & Business Strategy, vermittelte dem Summit-Publikum, was in der Schweiz in Sachen Wasserstoff-Infrastruktur möglich ist – und was nicht. Immerhin ist gemäss Cuderman das Potenzial für den Einsatz erneuerbarer Gase unbestritten, da noch eine riesige Menge an fossiler Energie zu ersetzen sei. Für Netto-Null brauche es die Umstellung auf erneuerbare Stromproduktion in Kombination mit der Dekarbonisierung Erdöl-basierter Kraftstoffe. Die Axpo kann Wasserstoff derzeit zum Gestehungspreis von CH 11.80/kg produzieren, was für ungleiche Spiesse sorgt: Die EU bietet derzeit Subventionen von bis zu € 4,50 pro Kilogramm H2.
Die Podiumsdiskussion vor dem Mittagessen des ersten Tags stand unter dem Motto «Ein Blick auf die Schweiz und darüber hinaus». Neben Christian Pho Duc, Heike Worm und Luka Cuderman nahm auch Jörg Wild, CEO von Energie 360° teil, der die Strategie seines Unternehmens, der ehemaligen «Erdgas Zürich», anhand des Ziels «100% erneuerbare Energie bis 2040» darlegte. Die Runde bewegte ein drohendes Ausschluss-Szenario: In der EU gebe es Pläne, die Wasserstoff-Pipelines um die Schweiz herum zu bauen. Dagegen engagiere sich Bern aber nun.
Mit dem Group-CFO René Cotting kam nach der Mittagspause ein weiterer Smartenergy-Mann beim Swiss Hydrogen Summit zu Wort. Er nahm die grössten «Green Hydrogen»-Projekte weltweit ins Visier. Es gebe heute schon eine globale Nachfrage nach 95 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr, die sich bis 2030 auf 150 Millionen Tonnen vergrössern könnte. Cotting ging in Anbetracht der erheblichen Unternehmensrisiken beim Ramp-up konkreter H2-Projekte ausführlich darauf ein, wie diese Risiken von staatlicher Seite zu reduzieren wären.
Risiken aktiv managen, lautete die Devise von Bernhard Schneider, Product Lead Hydrogen bei Munich Re. Sein Vortrag aus Versicherungs-Perspektive thematisierte Beispiele technischer Risiken entlang der H2-Wertschöpfungskette – von der Elektrolyse über die Verdichtung und Speicherung bis hin zu Transport und Nutzung. Ein Erfolgsfaktor für Wasserstoffprojekte liege neben der hohen Technologiequalität auch bei einer Leistungsgarantie mit eingeschlossenem All-Risk-Versicherungsschutz.
Mit Hans Michael Kellner, CEO Messer Schweiz AG, betrat ein Mann der langjährigen Wasserstoff-Praxis die Summit-Bühne. Die Messer Schweiz AG gehört zu den führenden Unternehmen für Industrie-, Medizinal-, Pharma- und Lebensmittelgase sowie der spezifischen On-site-Technologien. Die Wasserstoffproduktion aus Überschussstrom falle unregelmässig an, führte Kellner aus, wogegen die Anwender häufig auf eine kontinuierliche Versorgung angewiesen seien. Die H2-Speicherung in Metallhydriden sowie der Einsatz thermischer Verdichter ohne grosse Drücke sei ein wichtiger Baustein für die dezentrale H2-Produktion der Zukunft. Insbesondere für die Betreiber privater H2-Speicher und/oder Wasserstoff-Tankstellen biete die Technologie künftig ein hohes Mass an Unabhängigkeit und Kostenersparnis.
Arne Kähler, CEO von EW Höfe, stellte anschliessend das bislang grösste Schweizer Projekt für grünen Wasserstoff in Freienbach SZ en détail vor. Die Ausgangslage für die baubereite Anlage in Kooperation mit Alpiq und Socar ist ideal – netzgebundene Elektrolyse, optimaler Standort sowie ein Produktionsvolumen von 30'000 MWh/Jahr. Der grosse Wermutstropfen: Ausgerechnet die Ankündigung des Bundes, H2-Anlagen künftig vom Netznutzungsentgelt zu befreien, sorgt in Freienbach für einen Baustopp noch unbekannter Länge.
Weiter in die gelebte Wasserstoff-Praxis für die Mobilität ging Nicolas Crettenand, CEO von Hydrospider, in seinem Vortrag. Die ökologischen Vorteile von Wasserstoff in der Mobilität seien bedeutender als in anderen Sektoren wie Wärmeerzeugung, Industrieprozesse und Gaskraftwerke. Der Hydrospider-Wasserstoff wird am Alpiq Flusskraftwerk in Niedergösgen produziert, demnächst nimmt in Dietikon ZH (Silbern-Areal) die 17. H2-Tankstelle der Schweiz ihren Betrieb auf.
Zum Plenum des ersten Summit-Tages versammelten sich René Cotting, Hans Michael Kellner, Arne Kähler, Nicolas Crettenand und Bernhard Schneider, um aus der Schule der H2-Praktiker zu plaudern. Einhellige Meinung: Konflikte rund um inexistente oder unklare Rahmenbedingungen führen zu verzögerten Investitionsentscheidungen.
Michael Limacher, Market & Pricing Manager Hydrogen bei Axpo, sieht den Aufbau einer inländischen H2-Produktion als sinnvolle, nachhaltige Investition in die Energiewende. Geht es um die Umsetzung, schmeckt der «Champagner der Energiewende» (die deutsche Wirtschaftswissenschafterin Claudia Kemfert über H2) allerdings nicht überall in der Schweiz gleich gut. Das «Not In My Backyard»-Syndrom macht Anwohner sogar bei H2-Projekten widerspenstig – und sei es nur wegen der Lärm-Immissionen von Trailer-Lastwagen, die keine Bewilligung erhalten, sich mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb leise zwischen Produktionsort und H2-Tankstelle zu bewegen. In seinem spannenden Referat nannte Limacher neben der strategisch guten Lage die zweite Hauptvoraussetzung für neue H2-Produktionsstandorte in der Schweiz: die Bewilligungsfähigkeit bzw. -praxis als Bereich mit den grössten Unwägbarkeiten.
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Der zweite Tag des 1. Swiss Hydrogen Summit begann mit Grundlegendem: Christian Schaffner, Leiter des Energy Science Centers (ESC) an der ETH Zürich, skizzierte die Rolle von Wasserstoff aus der Strom- und Energie-Perspektive auf höchster Ebene der staatlichen Forschung. Vor dem Hintergrund des Netto-Null-2050-Szenarios zeigte er nicht nur die Wichtigkeit einer raschen, effektiven Dekarbonisierung auf, sondern auch die Notwendigkeit, Negativemissionen zu realisieren – also CO2 aktiv der Atmosphäre zu entziehen. Während der Bedarf an fossilen und nuklearen Energieträgern zurückgeht, plädiert die ETH dafür, die inländische Wasserstoffnachfrage (Gasnutzung ohne Rückverstromung) aus Schweizer Produktion zu decken.
Im anschliessenden Referat stellte Arno Büx, CCO von Fluxys, die Unternehmenseinheit FluxSwiss in den Vordergrund, die den Grossteil des Gastransits durch die Schweiz bewirtschaftet. Vor dem Hintergrund der fünf grossen europäischen Wasserstoffpipeline-Korridore erklärte Büx, wie die schweizerische Gas-Transitleitung für den Transport von Wasserstoff umgenutzt werden könne. Technisch machbar, wäre sie gegenüber der österreichischen Route um 350 km kürzer mit entsprechendem Kostenvorteil. Entscheidend für die Schweiz sei das Timing, um bis 2035 für eine Verbindung bereit zu sein. So hat FluxSwiss den Antrag gestellt, in den Netzwerkentwicklungsplan der EU für die nächsten 10 Jahre aufgenommen zu werden.
Christian Gyger vom Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) adressierte den Industriebedarf an Wasserstoff anhand der Rahmenbedingungen, die sich nun abzeichnen. Das VSG-Credo «Wer H2 sagt, sollte auch CO2 sagen» bezieht sich einerseits auf die Methanisierung von H2, um das daraus gewonnene Produkt in bestehenden Gasleitungen zu transportieren, sowie andererseits auf die Erzeugung der begehrten E-Fuels. Sowohl die H2-Wirtschaft als auch die CO2-Logistik bedürften einer Netzplanung.
Vor der Kaffeepause gaben Arno Büx, Christian Schaffner, Christian Gyger und Jörg Spicker, Strategic Advisor bei Swissgrid, ihre Statements zu den aktuellen Treibern der Entwicklung ab. Jan Spicker verwies auf die integrierte Netzplanung der Schweiz und rief dem Publikum die Schaltanlage «Stern von Laufenburg» in Erinnerung. Bereits in den 50-er wurde damit ein Meilenstein bei der Strom-Versorgungssicherheit für die Schweiz und ganz Mitteleuropa gesetzt.
Jan Strobel, Geschäftsführer von Finadvice Zürich begann seinen Vortrag mit der provokativen Frage: «Elektro oder grüne Gase für die Energiewende?» Strobels These: Je ein Teil der fossilen Brennstoffe würde entweder eingespart, elektrifiziert oder durch CO2-freie Energieträger ersetzt. Grüner Wasserstoff als Vertreter der letzten Kategorie käme günstiger in der Produktion als Erdgas, sofern für Letzteres ein adäquater CO2-Preis inkludiert würde.
Peter Metzinger, Co-Founder von Airborne Fuels Switzerland, entführte die Summit-Teilnehmenden in die Lüfte, wo die Flugzeuge bei ihrem Betrieb mit fast 100-prozentigem fossilem Kerosin unterwegs sind und damit die vielleicht am schwierigsten zu reduzierende Schadstoff-Last der Energiewende darstellen. Mit einem Beschleunigungsansatz bei Innovation, Gesetzgebung und Marktentwicklung will Airborne Fuels Switzerland die Verbreitung von SAF (Sustainable Aviation Fuels) zügig voranbringen und die Vorgaben der EU-Geschäftspolitik (70 Prozent SAF bis 2050) mit den entsprechenden schweizerischen Bestrebungen in Einklang bringen.
Ein weiteres gewichtiges Stück der Dekarbonisierung thematisierte Robert Baron, Director Corporate Strategy bei der Swiss Steel Group. Deren Stahlerzeugung basiere komplett auf Schrottmaterial, das überwiegend mit Strom geschmolzen werde. Im Vergleich zum Hochofen-Herstellungsverfahren reduzieren sich beim Elektro-Lichtbogen-Ofen die CO2-Emissionen um bis zu 80 Prozent.
Andreas Schick, Geschäftsführer der Netze-Gesellschaft Südwest (Baden-Württemberg), machte die anwesenden Teilnehmer darauf aufmerksam, dass 97 Prozent der verbauten Leitungen im Feinverteilungsnetz bereits H2-ready seien. Die Gasversorgung der meisten Stakeholder werde weiterhin über das vorhandene Rohrnetz erfolgen. Allerdings könne niemand in der Erdgasleitung «eine Überholspur für Wasserstoff» einrichten. Deshalb werde ein neu zu bauendes, 9700 Kilometer langes H2-Kernnetz ab 2032 den Startschuss für den H2-Hochlauf bilden.
Ein fulminanter Abschluss der Einzelreferate am 1. Swiss Hydrogen Summit gelang Nicole Vermeulen, Chief Industrial Officer, in englischer Sprache. Die Wasserstoff-Versorgungskette benötige gegenüber dem heutigen Stand eine Skalierung um den Faktor 100. Dafür gebe es zwei Pfade: die Pipeline-gebundene terrestrische Verteilung sowie die Versorgung aus Übersee per Schiffstransport. Um entsprechende Projekte für Investoren interessant zu machen, brauche es neben geeigneten geografischen Bedingungen eine klare Business-Strategie, gesicherte Einnahmequellen und wirtschaftsfreundliche Regulatorien.
Der 1. Swiss Hydrogen Summit fand seinen Ausklang in Form zweier weiterer Diskussionsrunden mit starken Impulsen:
Im Podiumsgespräch «Ramp-up Wasserstoffmarkt» diskutierten Robert Baron, Jan Strobel und Andreas Schick mit Alexander Keberle, der beim Schweizer Wirtschaftsverband Economiesuisse den Bereich «Umwelt, Energie und Infrastruktur» leitet. Keberle wies angesichts der erst zögerlich aufgenommenen Cleantech-Aktivitäten der Schweiz auf die latente Gefahr hin, in Sachen Wirtschaftskraft fast nur noch aus Dienstleistungsunternehmen zu bestehen.
Das letzte Podiumsgespräch zum Thema «Quo Vadis Wasserstoff Schweiz?» bestritt Heike Worm mit Christian Bach, Leiter Fahrzeugantriebssysteme bei der Empa, Martin Candinas, Nationalrat und H2-Spezialist der «Mitte»-Partei, Jan Flückiger, dem Generalsekretär bei der Konferenz Kantonaler Energiedirektoren (EnDK), sowie Barbara Schaffner, Nationalrätin der Grünliberalen Partei Schweiz (GLP). Trotz des Nichtvorhandenseins einer offiziellen Wasserstoffstrategie und eines entsprechenden «Push-Faktors» habe die Schweiz bereits erstaunlich viele H2-Aktivitäten ins Leben gerufen, lautete der allgemeine Tenor.
Souverän als Moderator durch die zwei «Swiss Hydrogen Summit»-Tage führte Christopher Schmitt, Hauptberater bei Roland Berger mit Fokus auf Infrastruktur für erneuerbare Energien und umweltverträgliche Transportlösungen. Fachlich bestens vorbereitet, behielt er die Veranstaltung inklusive der fünf Diskussionsrunden vom Anfang bis Ende fest im Griff.
Wie geht’s weiter? Aus guten Momenten wird ein starkes Momentum: Der 2. Swiss Hydrogen Summit findet am 20. und 21. Februar 2025 statt.